Der KOBV Österreich wurde für eine Forschungsarbeit zur Sensibilisierung und Entwicklung von Sozialschutzprogrammen für Menschen mit Behinderungen an der Pukyong National University, Abteilung für Internationale und Regionale Studien, interviewt.
Eine Forschungsgruppe der Pukyong National University in Busan, Südkorea, besuchte den KOBV Österreich, um mehr über die Entwicklung der Rechte von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt in Österreich zu erfahren. Zu Beginn wurde der erste Schritt zu einer vollkommen inklusiven Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen diskutiert. Nach Ansicht des KOBV ist das die Sichtbarmachung von Menschen mit Behinderungen. Leben und arbeiten Menschen mit und ohne Behinderungen im öffentlichen Raum, in der Schule, an Universitäten und am Arbeitsmarkt zusammen, wächst das Selbstverständnis, dass die Menschheit eben bunt und vielfältig ist.
Die historische Entwicklung der Inklusion am Arbeitsmarkt
Historisch betrachtet, kann Österreich als Vorreiter gelten. Meilensteine reichen vom Tabakmonopolgesetz 1784 bis zur Ratifizierung der UN-BRK 2008. Diese Zeitspanne zeigt aber auch, wie langsam selbstverständliche Prozesse in Österreich in manchen Bereichen sind.
Welche Schlüsselfaktoren zur Förderung der Arbeitnehmer:innenrechte für Menschen mit Behinderungen aus Sicht des KOBV festgemacht werden können, wurde ebenso besprochen. Als erster Schritt ist hierzu die Bewusstseinsschaffung in der Wirtschaft fundamental. Menschen mit Behinderungen können genauso ihre Tätigkeit ausführen wie Menschen ohne Behinderungen. Sollte es Probleme am Arbeitsplatz geben, müssen sie ernst genommen werden. Entweder kann man sie lösen oder es braucht den Druck der Öffentlichkeit.
Eine konkrete Maßnahme war das bereits erwähnte Monopolgesetz. Es wurde ursprünglich dazu genutzt, Kriegsversehrten das Betreiben von Tabaktrafiken exklusiv zu überlassen, damit sie selbstbestimmt und unabhängig ihr Einkommen bestreiten können. Erst 1979 wurden die Vergabekriterien für Tabaktrafiken auf sogenannte Zivilbehinderte erweitert. Mit dem EU-Beitritt Österreichs existiert nur noch das Einzelhandelsmonopol, das seit 1. Jänner 1996 von der damals neu gegründeten Monopolverwaltungs GmbH (MVG) administriert wird. Zwischen der MVG und dem KOBV besteht seit jeher eine enge Kooperation. Mit der letztjährigen Novelle des Tabakmonopolgesetzes (TabMG 1996, Fassung vom 27.7.2023) können Trafiken nur noch einmal direkt an Angehörige weitergegeben werden. Das hat eine erfreuliche Steigerung der Anzahl an Trafiken, die von Menschen mit Behinderungen geführt werden, gebracht. Derzeit sind es 58 % der Trafiken, Tendenz steigend.
Behindertenvertrauenspersonen
Zur Lösung etwaiger Probleme steht der KOBV mit 1154 registrierten Behindertenvertrauenspersonen (BVP) bereit. Sie fungieren in Betrieben als Vermittler:innen zwischen Arbeitnehmer:innen mit Behinderungen und Arbeitgeber:innen. Ab 5 Arbeitnehmer:innen mit Begünstigteneigenschaft in einem Betrieb soll eine BVP gewählt werden.
Behindertenausschüsse gibt es nur auf Länderebene, nicht auf Bundesebene. Ihr Sinn liegt im gesetzlichen Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderungen mit festgestellter Begünstigteneigenschaft ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 %. Sie setzen sich zusammen aus Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Arbeitsmarkt Service und 3 Behindertenvertreter:innen. In den Behindertenausschüssen sind auch Funktionär:innen des KOBV tätig. Ein Betrieb muss beim Sozialministerium einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung stellen, wenn ein:e begünstigt Behinderte:r gekündigt werden soll. Der Behindertenausschuss prüft die geltend gemachten Kündigungsgründe und alternative Einsatzmöglichkeiten im Betrieb. Der KOBV bietet auch Vertretungen in diesen Verfahren an.
Darüber hinaus interessierte sich die südkoreanische Gruppe für Barrierefreiheit in der baulichen Infrastruktur Österreichs mit seinen vielen altehrwürdigen Gebäuden. Tatsächlich ist das hierzulande ein großes Thema. Auch Gebäude unter Denkmalschutz müssen barrierefrei zugänglich gemacht werden. Ausnahme ist eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Umbaumaßnahmen.
Schließlich wurde Aufmerksamkeitssteigerung und Demonstrationskultur angesprochen. In Südkorea habe eine Gruppe Aktivist:innen U-Bahnen zur Rushhour besetzt, um für Barrierefreiheit zu sensibilisieren. Weil dies zu Missstimmung gegenüber Menschen mit Behinderungen geführt habe, sollte der KOBV über seine Arbeit zur Steigerung der Aufmerksamkeit und Sensibilisierung berichten. Der Inklusionsmarsch im Dezember 2023 war dazu ein gutes Beispiel. Der behördlich angemeldete und von der Polizei begleitete Demonstrationszug umfasste etwa 300 Teilnehmer:innen. Ziel des Marsches waren die Zentralen der beiden Regierungsparteien, wo mit den zuständigen Behindertensprecherinnen Anliegen und Forderungen diskutiert wurden. Denn durch Kooperation kann mehr erreicht werden als durch Konfrontation.