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Stellungnahme des KOBV Österreich zum Entwurf Änderung des Bundespflegegeldgesetzes

Allgemeines:

Der vorliegende Gesetzesentwurf stellt einen sehr wichtigen ersten Schritt zur Verbesserung der Position pflegebedürftiger Menschen und ihrer betreuenden Angehörigen dar.  Ausdrücklich begrüßt wird das Vorhaben, pflegende Angehörige verstärkt zu unterstützen. Pflegende Angehörige leisten einen bedeutenden gesellschaftspolitischen Beitrag, ohne den das Pflegesystem in Österreich nicht aufrecht zu erhalten wäre. Sie nehmen oft große Entbehrungen in Kauf, müssen sie doch in vielen Fällen ihre Berufstätigkeit aufgeben oder zumindest reduzieren, um für ihre pflegebedürftigen Angehörigen ausreichend sorgen zu können. Die geplante Leistung eines Angehörigenbonus und das Vorhaben, Zuwendungen aus dem Unterstützungsfonds auch für die Inanspruchnahme von Pflegekursen zu gewähren, sind wichtige Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöriger.

Auch Familien mit Kindern mit Behinderungen sind oft großen, insbesondere auch finanziellen, Belastungen ausgesetzt. Der geplante Entfall der Anrechnung des Betrages von € 60 von der erhöhten Familienbeihilfe auf das Pflegegeld ist eine wichtige Maßnahme zur finanziellen Entlastung der Familien.

Die Erhöhung des Demenzzuschlages für Menschen mit einer schweren psychischen oder geistigen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Beeinträchtigung wird ebenfalls ausdrücklich begrüßt und ist zu erwarten, dass diese Maßnahme zu einer wesentlich verbesserten Pflegegeldeinstufung für diesen Personenkreis führen wird.

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Z 2, 17 und 18 (§ 7, § 44 Abs. 9, § 48g Abs. 4 und 6):

Wie bereits ausgeführt, ist der Entfall der Anrechnung der € 60 von der Erhöhung der Familienbeihilfe auf das Pflegegeld eine sehr wichtige Maßnahme zur finanziellen Unterstützung von Familien mit Kindern mit Behinderungen. Sehr zu begrüßen ist, dass die Änderung von Amts wegen vorgenommen wird und keine Antragstellung erforderlich ist.

Zu Z 3 und 4 (§ 21 a Abs. 1 Z 2 und 3):

Dass künftig auch Zuwendungen zu den Kosten von Pflegekursen für pflegende Angehörige aus dem Unterstützungsfonds möglich sein werden, wird sehr begrüßt. Wichtig ist auch, dass diese Kursfinanzierung mit der finanziellen Zuwendung zu den Kosten der Ersatzpflege kombinierbar ist, was laut den Erläuterungen auch so geplant ist. Die näheren Bestimmungen dazu sind in den Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen zur Unterstützung pflegender Angehöriger vorzusehen. Wir merken dazu jetzt schon an, dass die in den Erläuterungen angeführte beabsichtigte Zuwendung von bis zu € 200 pro Jahr nicht ausreichen wird, um die Kosten für Kurs und Ersatzpflege abzudecken.

Ergänzend merken wir an, dass es notwendig sein wird, die in den Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen zur Unterstützung pflegender Angehöriger vorgesehenen Zuwendungen auf Grund der langjährigen Nichtvalorisierung und in Anbetracht der aktuellen Teuerung entsprechend zu erhöhen. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass der Unterstützungsfonds auch mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet wird. Zur geplanten Richtlinienänderung, die eine finanzielle Zuwendung bereits nach drei Tagen anstatt der aktuell erforderlichen sieben Tage vorsehen soll, merken wir bereits jetzt an, dass es für das Besuchen der Pflegekurse aber auch für andere notwendige Verrichtungen der pflegenden Angehörigen wichtig wäre, eine Unterstützung bereits ab einem Tag zu gewähren.

Zu Z 12 (§ 21 d Abs. 3):

Die Ausweitung der Antragsfrist für die Beantragung des Pflegekarenzgeldes auf zwei Monate ist zur Vermeidung von Härtefällen ausdrücklich zu begrüßen.

Ergänzend weisen wir darauf hin, dass der seit 1.1.2020 geltende Rechtsanspruch auf Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit von Arbeitnehmer:innen in Betrieben mit mehr als fünf Arbeitnehmer:innen auf die einseitige Inanspruchnahme von bis zu vier Wochen (§ 14c und § 14 d AVRAG) zu einer wesentlichen Verbesserung für pflegende Angehörige geführt hat. Die Dauer von maximal 4 Wochen ist jedoch sehr oft nicht ausreichend, um die aktuelle Pflegesituation bewältigen zu können, und sollte dieser Rechtsanspruch zumindest auf drei Monate ausgedehnt werden.

Zu Z 16 (§ 21 g):

Die geplante Schaffung eines Angehörigenbonus in Höhe von jährlich € 1.500,– ist eine sehr wichtige Maßnahme zur finanziellen Unterstützung pflegender Angehöriger und wird ausdrücklich begrüßt. Dieser Angehörigenbonus setzt voraus, dass die pflegenden Angehörigen sich aufgrund der Pflege gem. § 18 a oder § 18 b ASVG in der Pensionsversicherung selbstversichert bzw. gem. § 77 Abs. 6 ASVG, § 28 Abs. 6 BSVG oder § 33 Abs. 9 GSVG in der Pensionsversicherung weiterversichert haben. Diese Bestimmungen für die Selbst- oder Weiterversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der pflegenden Angehörigen stellen darauf ab, dass der pflegebedürftige Angehörige Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 3 hat. Es ist nicht nachvollziehbar, warum im geplanten § 21 g als zusätzliche Voraussetzung ein Anspruch auf ein höheres Pflegegeld, nämlich zumindest in Höhe der Stufe 4, vorgesehen ist. Ein Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 3 sollte daher jedenfalls ausreichend sein.

Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes (§ 18 a ASVG) setzt den Bezug von Pflegegeld gar nicht voraus sondern stellt auf den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe und die überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft zur Pflege ab. Im Sinne der notwendigen finanziellen Entlastung von Familien mit Kindern mit Behinderungen wird gefordert, den Angehörigenbonus bei Vorliegen einer Selbstversicherung gem. § 18 a ASVG unabhängig von einem Pflegegeld zu gewähren.

Sollte diese Forderung nicht umgesetzt werden, wird gefordert, dass bei Vorliegen einer entsprechenden Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes für den Angehörigenbonus der Bezug von  Pflegegeld der Stufe 1 ausreichend ist. Dies würde auch im Einklang mit § 21 a BPGG stehen, wo für die Zuwendungen aus dem Unterstützungsfonds bei minderjährigen Personen ein Pflegegeld der Stufe 1 genügt.

Das Abstellen auf die Selbst- oder Weiterversicherung in der Pensionsversicherung bedeutet aber auch grundsätzlich, dass pflegende Angehörige, die sich bereits in Pension befinden oder die schon vor der Übernahme der Pflege in Teilzeitbeschäftigung waren und auf Grund der Übernahme der Pflege eine Aufstockung der Arbeitszeit nicht vornehmen können, vom Angehörigenbonus ausgeschlossen sind. Auch diese pflegenden Angehörigen sind durch die Übernahme der Pflege finanziell stark belastet, wozu auch die langjährige Nichtvalorisierung des Pflegegeldes beigetragen hat. Diese Ungleichbehandlung ist sachlich nicht gerechtfertigt und sollte daher die Voraussetzung der Selbst- oder Weiterversicherung in der Pensionsversicherung für die Pflege naher Angehöriger überhaupt entfallen.

Ergänzend wird gefordert, dass eine jährliche Valorisierung des Angehörigenbonus aufgenommen wird.

Zu Z 18 (§ 48 g):

Das Vorhaben, den Erschwerniszuschlag für Pflegebedürftige mit einer schweren psychischen oder geistigen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Beeinträchtigung, in der Einstufungsverordnung von 25 auf 45 Stunden anzuheben wird ausdrücklich begrüßt, da damit der besonders herausfordernden und belastenden Intensität der Pflege weit besser Rechnung getragen wird und davon eine dringend erforderliche Verbesserung der Pflegegeldeinstufung für diesen Personenkreis zu erwarten ist.

Sehr wesentlich ist auch hier, dass die Änderung grundsätzlich von Amts wegen berücksichtigt wird.

Ergänzende Forderungen:

  • Ausgleich für den durch die langjährliche Nichtvalorisierung des Pflegegeldes entstandenen Wertverlust:

Durch die jahrelange Nichtvalorisierung der Pflegegelder ist es zu einer starken realen
Abwertung der Pflegegeldbeträge gekommen, die in Verbindung mit anderen Kostensteigerungen v.a. am Gesundheitssektor dazu geführt hat, dass Pflege für viele Personen schon jetzt vielfach nicht mehr leistbar ist. Die erst seit 1.1.2020 im Bundespflegegeldgesetz verankerte jährliche Valorisierung des Pflegegeldes mit dem Pensionsanpassungsfaktor war ein wichtiger Schritt für die Verbesserung der Situation von Pflegebedürftigen in Österreich. Der durch die langjährige Nichtvalorisierung bis 2020 entstandene Wertverlust beträgt jedoch
rund 30 %. In Anbetracht dieses Wertverlustes und der zusätzlichen aktuellen Teuerung ist es dringend erforderlich, einen Ausgleich für diesen entstandenen Wertverlust durch eine außerordentliche prozentuelle Erhöhung zu schaffen. Dieser Ausgleich sollte jedenfalls noch in das aktuelle Reformpaket aufgenommen werden.

  • Reduzierung der für die Pflegestufen 1 und 2 erforderlichen Stunden auf das vor dem 1.1.2011 geltende Niveau

 Die in den Jahren 2011 und 2015 vorgenommene Erschwerung der Zugangsbestimmungen für Pflegegeldbezieher:innen der Stufen 1 und 2  hat sich auch in Verbindung mit einer immer strenger werdenden Vollzugspraxis (sowohl im Bereich der Sozialversicherungsträger als auch der Judikatur) als große Hürde für die Erreichung eines Pflegegeldes herausgestellt und damit zu einer massiven Belastung für pflegebedürftige Menschen geführt. Gefordert wird daher, den erforderlichen Pflegebedarf in diesen Stufen wieder auf das vor dem 1.1.2011 geltende Niveau zu reduzieren.

  • Weitere Entlastung von pflegenden Angehörigen

Neben der bestmöglichen finanziellen Unterstützung pflegender Angehöriger ist es erforderlich, Angebote für Urlaub und Erholung weiter auszubauen, Maßnahmen der Kurzzeitpflege und Tagesstrukturen für Pflegebedürftige verstärkt anzubieten, präventive Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Verbesserung der Gesundheit zu forcieren, psychologische Unterstützung anzubieten sowie Information und Sozialrechtsberatung flächendeckend zur Verfügung zu stellen.

  • 24-Stunden-Betreuung

Dringend notwendig ist auch die Erhöhung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung und die Schaffung von Qualitätsrichtlinien für die Vermittlungsagenturen.

  • Nachhaltige Finanzierung des Pflegevorsorgesystems

 Wir merken grundsätzlich an, dass es in Anbetracht der demografischen Entwicklung sehr wesentlich ist, Maßnahmen zur langfristigen und nachhaltigen Finanzierung des Pflegevorsorgesystems zu setzen.

 

Präsident Mag. Michael Svoboda
Generalsekretärin Dr.in Regina Baumgartl
Kriegsopfer- und Behindertenverband Österreich
1080 Wien, Lange Gasse 53
Tel. : 01/406 15 86 – 42 / Fax : 01/ 406 15 86 – 54
E-Mail: kobvoe@kobv.at

Wien, am 20.6.2022

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