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Die Geschichte der Inklusion: Das Disability History Project im hdgö

Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) arbeitet zusammen mit dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsument:innenschutz (BMSGPK) an der Aufarbeitung der Geschichte von Menschen mit Behinderungen und ihrem Eintreten für Inklusion. Der KOBV Österreich ist mit Präsident Franz Groschan Teil der Fokusgruppe dieses Projekts.

Die Fokusgruppe des Disability History Projects: Ganz links steht Frau Sommer mit schwarzer langer Weste, sie trägt eine schwarze Brille, daneben eine Dame mit schwarzen kurzen Haaren und Brille, Frau Margreiter im Rollstuhl sitzend und rechts steht Franz Groschan mit Glatze und Oberlippenbart, trägt schwarzes Sakko, Krawatte, Jeans und Brille, neben ihm Frau Tautter mit blonden kurzen Haaren und schwarzer Kleidung. Im Hintergrund ist Professor Schönwiese über eine Leinwand online zugeschalten. Er hat eine Glatze und trägt Brille.
Disability History Project. Pressekonferenz  (Lorenz Seidler hdgö, cc by nc 4.0)

Mit dem Disability History Project wird die oft übersehene Geschichte von Menschen mit Behinderungen in Österreich von 1848 bis heute ins öffentliche Licht gerückt.

Ziel ist es, persönliche Erfahrungen und individuellen Aktivismus sichtbar zu machen. Damit soll ein bislang unberücksichtigter Teil der österreichischen Geschichte erlebbar und nachvollziehbar gemacht werden.

Aufruf zur Beteiligung
Das hdgö ruft die Öffentlichkeit zur aktiven Teilnahme an der Web-Ausstellung „Selbst bestimmt!“ auf. Interessierte sind eingeladen, Objekte und persönliche Geschichten beizutragen, die den politischen Aktivismus von Menschen mit Behinderungen dokumentieren. Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sollen zudem Erlebnisse nachvollziehbar machen. Die Links dazu finden Sie am Seitenende.

Historische Rückschau: Der Weg zur Inklusion

Sammlung von alten Broschüren, Postkarte aus Schloss Freiland und Mitgliederausweis.

Die Reise zur Inklusion in Österreich war lang und von Rückschlägen geprägt. Und am Ziel sind wir lange noch nicht angekommen. Sozialminister Johannes Rauch betont, dass die gesellschaftliche Auffassung von Menschen mit Behinderungen lange Zeit von Diskriminierung und Ausgrenzung geprägt war. Das Disability History Project soll diese Geschichte aufarbeiten und die Stimmen von Menschen mit Behinderungen stärken.

Pioniere der Behindertenbewegung

Der KOBV ist ein zentraler Teil der Geschichte von Inklusion und sozialer Gerechtigkeit. Der Verband und seine Vertreter haben wesentliche Grundlagen des heutigen Sozialrechts geschaffen und beherbergen viele Pioniere des österreichischen Behindertenrechts.

Ein altes schwarz-weiß Foto vom 7. Delegiertentag des damaligen KOV mit 7 Männern am Podium und Publikum in den Bankreihen, das von hinten abgebildet ist. Über dem Rednertisch ist in großen funkelnder Schrift zu lesen: Einigkeit macht stark.
Ein früher Delegiertentag des damals noch KOV.

Eine wichtige Figur der Behindertenbewegung ist Hans Hirsch, der von 1945 bis 1946 Präsident der KOBV-Zentralorganisation war. Im Ersten Weltkrieg verlor er sein Augenlicht und beide Hände. Trotz dieser Schicksalsschläge setzte er sich unermüdlich für die Rechte seiner Mitbetroffenen ein. Hirsch war 1919 an der Gründung des Zentralverbands der Kriegshinterbliebenen beteiligt und gründete später den Verband der Kriegsblinden Wien, Niederösterreich und Burgenland, dessen Präsident er 35 Jahre lang blieb.

Bei den Verhandlungen mit verschiedenen Regierungen war Hirsch ein aktiver Teilnehmer und spielte eine entscheidende Rolle bei der Erarbeitung des Invalidenentschädigungsgesetzes sowie bei der Gestaltung des Kriegsopferversorgungsgesetzes nach 1945. Auch in wirtschaftlichen Körperschaften war er tätig, darunter das Bundesgremium und die Wohlfahrtsorganisation der Tabakverkäufer, um seinen Schicksalsgefährten den Weg zurück in eine neue Existenz zu ebnen. Das Trafikwesen und die enge Zusammenarbeit mit der Monopolverwaltungs GmbH (MVG) ist bis heute ein wesentliches Feld für den KOBV. Denn durch den geschützten Status gewährleistet die Führung einer Trafik wirtschaftliche Absicherung und ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderungen und das soll auch so bleiben.

Ein schwarz-weiß Foto eines Delegiertentages. Musikanten in Uniform sind am mit Sträuchern geschmückten Podium, ein Herr mit Brille steht am Rednerpult, an der Wand über dem Podium ist in großer Schrift zu lesen: Friede Freiheit soziale Gerechtigkeit 20 Jahre im Dienste der Kriegsopfer. Daneben hängt ein riesiges Schild des österreichischen Doppeladlers auf österreichischer Flagge. Im Vordergrund das Publikum von hinten, allesamt Herren.

Hans Hirsch folgten die Präsidenten Franz Schulz, Karl Baier, Friedrich Karrer, Otto Libal, Dr. Karl Schwarzl („Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1975), Otto Pohanka und zuletzt Mag. Michael Svoboda nach. Selbst mit Behinderungen lebend, waren sie maßgebliche Triebfedern des Kriegsopferversorgungsgesetzes, des Behinderteneinstellungsgesetzes, gründeten das Erholungshaus Freiland sowie die Sonderkrankenanstalt Zicksee, entwickelten das Versorgungsrecht der Kriegsopfer und die Heeresversorgung mit, arbeiteten wesentliche Teile des Bundesbehindertengesetzes 1990 aus und waren federführend bei der Ausarbeitung des Pflegegeldes 1993.

Die Rolle des KOBV

Präsident Franz Groschan beim Sprechen ins Mikrophon während der Pressekonferenz.
Präsident Groschan, Pressekonferenz | Seidler hdgö, cc by nc 4.0.

Als Präsident des KOBV ist Franz Groschan Teil des Publikumsforums des hdgö und der Fokusgruppe zum Disability History Project.

„Die Errungenschaften der Vergangenheit dürfen nicht vergessen werden und haben die Kraft zu motivieren, zukünftige Herausforderungen anzugehen. Die Geschichte der Behindertenrechte ist ein integraler Bestandteil der Geschichte Österreichs und somit ein Teil des kollektiven Gedächtnisses unseres Landes.“

Franz Groschan, Präsident

Ein Aufruf zur Erinnerung

Eine Leistungsbroschüre im Stil der 1950er Jahre. Am Deckblatt ist die Grafik eines Mannes mit gespreizten Armen und Beinen zu sehen, hinter ihm eine große Gruppe menschen. Der Titel lautet "Kriegsopfer wir vertreten eure Interessen." Darunter ist die Broschüre am Mittelfalz aufgeschlagen. Zu lesen ist: A propos Leistungen. Weißt Du, dass Dir unter bestimmten Voraussetzungen neben der Grundrente auch Zusatzrente, Ernöhrungszulage, Frauen- un Kinderzulagen, Pflegezulage, Heilfürsorge, Kurbehandlung, Unterstützungen usw. zustehen? Du wirst vieles nicht wissen, was uns organisierten Kriegsopfern eine Selbstversändlichkeit ist! Auf der rechten Seite steht: Dein gesicherter Arbeitsplatz wurde ebenfalls durch uns erkämpft. Schon im Jahre 1946 schufen wir das Invalideneinstellungsgesetz, das alle Unternehmer, auch den Bund, die Länder und Gemeinden, verpflichtet, auf eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten die entsprechende Zahl von Invaliden einzustellen. Wir sorgen auch dafür, dass Du deinen Arbeitsplatz nicht verlierst. Du hast einen qualifizierten Kündigungsschutz! Nur der Invalidenausschuss beim Landesarbeitsamt, in dem wir Sitz- und Stimmrecht haben, kann einer Kündigung zustimmen. Kannst du auf die Dauer der schützenden Hand unserer großen Interessensgemeinschaft entbehren?

Groschan erinnert an die dunkle Vergangenheit der Eugenik und betont, dass sich solche Zeiten nicht wiederholen dürfen. Der Diskurs über Diskriminierung im Arbeitsmarkt und in der Bildung muss aktiv geführt werden. Das Disability History Project schafft einen Rahmen, um aktuelle Herausforderungen durch persönliche Geschichten zu beleuchten.

Ein altes Werbeprospekt des KOV in dunkelblau mit weißer Schrift und einer weißen Waage. Ganz oben steht "Entscheide", bei der tieferen Waagschale steht "Gewinnen und weitere Vorteile erreichen" bei der tieferen Waagschale steht "Verlieren und Nachteile in Kauf nehmen", ganz unten heißt es "Es liegt in Deiner Hand ..."
Ein altes Werbeprospekt des KOBV (vormals KOV).

Es ist ein Aufruf an alle, zur Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen beizutragen. Der Weg zur vollständigen Inklusion ist lang, doch gemeinsames Engagement und die Dokumentation der Geschichte können das Verständnis für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen fördern. Der KOBV und das hdgö setzen sich weiterhin dafür ein, die Geschichte der Behindertenbewegung in Österreich zu bewahren.